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Meine Interpretation der Anwendung            der LBO-BW

Meine Interpretation und Anwendung der Vorschriften der Landesbauordnung im Kontext der Barrierefreiheit:

- was ist der Grundgedanke?

- warum Schutzziel und nicht definitive technische Vorschriften?

- Beispiel wie ich verstehe, dass die LBO-BW die Belange der Barrierefreiheit umgesetzt wissen will?

Aktuelle Rechtsgrundlagen (September 2015)

 

Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO-BW:2014-11) vom 8. August 1995 in der Fassung vom 5. März 2010 (GBl. S. 357, ber. S. 416), geändert durch Artikel 70 der Verordnung vom 25. Januar 2012 (GBl. S. 65, 73), geändert durch Gesetz vom 16. Juli 2013 (GBl. S. 209), geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 3. Dezember 2013 (GBl. S. 389), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. November 2014 (GBl. S. 501)

 

Bekanntmachung der Liste der eingeführten Technischen Baubestimmungen (LTB-BW:2014-11) vom 14. November 2014, Fassung 2015-01(GBl. Nr. 12 vom 17. Dezember 2014, S. 738)

 

Merkblatt #61 LBO2015 der Architektenkammer Baden-Württemberg

Als jemand der selbst die Hindernisse als Gehbehinderter und Rollstuhlfahrer aus eigener Erfahrung kennt und sich Zeit seines beruflichen Lebens im Kontext von Neubau- oder Umbaumaßnahmen bewegt hat, habe ich mich intensiv mit der aktuellen Landesbauordnung für Baden-Württemberg sowie der Musterbauordnung beschäftigt und mir eine eigene Meinung gebildet. Diese Interpretation, wie ich die LBO verstehe, möchte ich hier etwas erläutern.

 

 

Was ist der Grundgedanke?


In den vorhergehenden Landesbauordnungen sind von der Landesregierung bereits Schritte in Richtung Barrierefreiheit unternommen worden. Diese waren jedoch oft unkonkret oder missverständlich definiert. So zum Beispiel die Forderung nach barrierefreier Erreichbarkeit von Räumen z.B. mit dem Rollstuhl. Was aber nützt es einem Rollstuhlfahrer, wenn er einen Toilettenraum zwar erreichen, wegen fehlender Bewegungsflächen aber nicht NUTZEN kann? Gar nichts!

Eigentlich hätte der klare Menschenverstand der Planer, Architekten und Betreiber solchen Wohnraums diese Notwendigkeit klar sein müssen. Aber oft spielt der klare Menschen-verstand keine große Rolle mehr; vor allem wenn es rein um Kosten- und Nutzenrechungen geht.


Solche - ich nenne es mal - Missverständnisse wurden nun nachgebessert. In der aktuellen LBO wurden die Anforderungen an die betreffenden Räume um die Worte "barrierefrei nutzbar" ergänzt. § 35 schreibt nun vor "...In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad und die Küche oder Kochnische barrierefrei nutzbar und mit dem Rollstuhl zugänglich sein." Somit ist klar definiert, dass es gewährleistet sein muss diese Räume auch entsprechend nutzen zu können, was sich hauptsächlich über Bewegungsflächen sowie der gewählten Ausstattungsgegenstände und Einrichtung definiert.

 

Im Vorwort zur DIN 18040-1 ist zu lesen, dass „Auch für andere Personengruppen [als Menschen mit Behinderungen], wie groß- oder kleinwüchsige Personen, Personen mit kognitiven Einschränkungen, ältere Menschen, Kinder sowie Personen mit Kinderwagen oder Gepäck, führen einige Anforderungen dieser Norm zu einer Nutzungserleichterung“. Daher schaffen diese bautechnischen Anforderungen nicht nur eine Möglichkeit für bewegungseingeschränkte Personen am Leben mehr teilhaben zu können, sondern solche Baumaßnahmen erleichtern allen Personen den Alltag.

 

„Bauen für Alle“

 

 

 

§ 35 Abs. 1 wurde in zweifacher Weise geändert:

1. § 35 Abs.1 Satz 1 sieht vor, dass in Wohngebäuden mit mehr als zwei Wohnungen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein müssen. [§ 35 Abs.1 (vgl. Art. 1 Nr. 15 a des Gesetzesbeschlusses]

Bisherige Rechtslage:  Die Anforderungen bestand bisher nur bei Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen. Durch die Absenkung der Eingriffsschwelle soll mehr barrierefreier Wohnraum entstehen.

2. § 35 Abs. 1 Satz 2 sieht vor, dass in diesen barrierefrei erreichbaren Wohnungen eines Geschosses die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad und die Küche oder Kochnische barrierefrei nutzbar und mit dem Rollstuhl zugänglich sein müssen. [§ 35 Abs.1 (vgl. Art. 1 Nr. 15 b des Gesetzesbeschlusses)]

Bisherige Rechtslage: Die genannten Räume mussten bisher nur mit dem Rollstuhl zugänglich sein. Mit der barrierefreien Nutzbarkeit soll ein Standard vorgeschrieben werden, der der DIN 18040-2 (Barrierefreies Bauen – Wohnungen) mit Ausnahme der dortigen Anforderungen nach der Rubrik „R“ (uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar) für barrierefrei nutzbare Wohnungen entspricht. Die damit herzustellenden Bewegungsflächen lassen auch eine Nutzung der Wohnung mit vielen nicht elektrisch betriebenen Rollstühlen zu.

 

 

Warum Schutzziel und nicht definitive technische Vorschriften?


Zu Beginn hatte ich meine Schwierigkeiten mich mit dem scheinbaren Rückzug von klaren Regelungen zu Gunsten einer Regelung wie das nun definierte Schutzziel anzufreunden. Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto mehr wurde ich zum Freund dieser Schutzzieldefinition.

 

Die LBO-BW beschreibt in § 39 "Barrierefreie Anlagen" lediglich das geforderte Schutzziel des barrierefreien Bauen auf recht pauschale Weise:
"(1) Bauliche Anlagen sowie andere Anlagen, die überwiegend von behinderten Menschen mit Behinderung oder alten Menschen genutzt werden, wie...sind so herzustellen, dass sie von diesen Personen zweckentsprechend ohne fremde Hilfe genutzt werden können".
Das Ziel ist also klar definiert und lautet vereinfacht gesagt: Erreichbar- und Nutzbarkeit aller öffentlich zugänglicher Gebäude.

 

Es folgen dann keine verbindlich umzusetzenden technischen Bauvorschriften. Vielmehr ist nun die Kreativität der Planer, Architekten, Produkthersteller, usw. gefordert die Forderung zu erfüllen. Es ist also keine Diskussion über das Ziel zu führen, sondern alle am Bauvorhaben Beteiligten sind gefordert die bautechnische einwandfreie Umsetzung des gesetzten Zieles zu erreichen. Nicht WAS, sondern WIE ist nun die Aufgabe.

 

 

Beispiel wie ich verstehe, dass die LBO-BW die Belange der Barrierefreiheit umgesetzt wissen will:

 

Leider gibt es Meinungen, dass das Ziel nun zu verwässern wäre - für mich ist genau das Gegenteil der Fall, denn das Ziel steht.

 

Ein sehr weit verbreitetes Beispiel ist die Schwellenlosigkeit.  Diese regelt die Anlage 7/3 der LTB ganz konkret: „Für Wohnungen nach § 35 Abs. 1 LBO werden nur eingeführt: ... b. Abschnitt 4.3.1 Satz 1 [Stufen- und Schwellenlosigkeit] für den Bereich zwischen öffentlicher Verkehrsfläche und den in § 35 Abs. 1 LBO genannten Räumen, wobei Schwellen bis 2 cm Höhe zulässig sind, wenn sie technisch erforderlich sind."


Klar definiertes Ziel und zugleich die Forderung: Grundsätzlich KEINE Schwellen!

 

Die Aufführung des Maximums was in technisch notwendigen AUSNAHMEN gerade noch zulässig wäre verleitet gerne dieses als die Regel anzusehen. Nein, definitiv nicht. Dies beschreibt die Ausnahme, die im speziellen Fall explizit bautechnisch zu begründen ist.

 

Möge sich jeder Planer vorstellen die eigene Mutter, mittlerweile gebrechlich und auf die Unterstützung des Rollators angewiesen, steht am Ende einer Rampe um muss nun "mit Schwung" eine 2 cm hohe Schwelle überbrücken...

 

Ralph Ziemann

Sachverständiger für barrierefreies Planen und Bauen

10 / 2015

letzte Aktualisierung:

16.03.2024

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© Ralph Ziemann

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