Was steht dahinter und wie betrifft uns das?
Hinter dem Gedanken der Inklusion im Bezug auf behinderte Personen verbirgt sich die Bereitstellung der Möglichkeit zur Teilhabe von behinderten Menschen am öffentlichen Leben.
Dies kann sowohl mit der Schaffung von entsprechend gestaltetem Umfeld, wie zum Beispiel Rampen, technischen Einrichtungen wie Aufzügen oder durch organisatorische Mittel, wie Ein- und
Ausstiegsassistenz bei der Deutschen Bahn AG, erreicht werden.
Wichtig ist der Gedanke, dass Behinderten die selbstbestimmte Teilhabe „in der allgemein übliche Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe" möglich sein soll (Quelle: BGG §4).
Bereits im Jahr 2003 wurden in der Magdeburger Erklärung folgende Ziele definiert:
- nicht mehr ausgrenzende Fürsorge, sondern uneingeschränkte Teilhabe
- nicht mehr abwertendes Mitleid, sondern völlige Gleichstellung
- nicht mehr wohlmeinende Bevormundung, sondern das Recht auf Selbstbestimmung
Die Umsetzung erfolgte in einer Vielzahl von Gesetzen, wie z.B.
- Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) vom 01.05.2002
- Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 27.02.2006
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 18.08.2006
- Sozialgesetzbuch IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen
- DIN-Vorschriften wie DIN18024/1+2 sowie 18025/1+2 bzw. die DIN18040/1+2 sowie in den Landesbauordnungen.
Die oberste Zielsetzung ist die Realisierung entsprechend der in den einschlägigen Normen und Vorschriften geforderten technischen Voraussetzungen. Hier sind vor allem die Architekten und Planer
gefordert, dies bereits in der Vorplanung zu berücksichtigen. Durch die Integration in diesem frühen Planungsstadium können einerseits sehr homogene Gesamtlösungen realisiert werden, in denen
sich barrierefreie Bauten als integrierter Teil der Lösung harmonisch einfügen. Andererseits halten sich somit auch die Mehrkosten für barrierefreies Bauen in einem minimalen Rahmen. Späteres
Nachrüsten führt unweigerlich zu höheren Kosten und oftmals optisch nicht sehr ansprechenden Lösungen.
Ein von mir immer wieder gern genutztes Beispiel sind die bodengleichen Duschen. Was früher fast ausschließlich in "Behindertenbädern" anzutreffen war, hat sich in
letzter Zeit zu so etwas wie einem Standard im gehobenen Wohnungsbau gemausert. Viele Hersteller bieten dies bereits als komplettes Modul an und kaum ein Prospekt kommt ohne ein entsprechendes
Bild aus. Ein solch ausgestattetes Bad ist heute eine Augenweide; kaum jemand denkt dabei noch an die Nutzung mit dem Rollstuhl.
Nicht immer ist jedoch das Ziel in optimaler Form erreichbar; denken wir nur an Umbauten im Bestand mit eingeschränkten Möglichkeiten. Deshalb müssen manchmal andere Wege gefunden werden, den
behinderten Personen die Teilhabe zu ermöglichen.
Die Anforderung wird "im Grundsatz" gestellt. Somit gibt es durchaus die Möglichkeit das Ziel auf verschiedene Weise zu erreichen. Meines Erachtens und aufgrund eigener
Erfahrung als Rolli-Fahrer, ist es besser eine Rampe zwei Zentimeter schmaler zu bauen als nach DIN gefordert, bevor ganz darauf verzichtet wird, nur weil die Vorschrift nicht auf den
Punkt genau eingehalten werden kann. Genau darin liegt bei Vielen, die sich mit dem Bauen in DIN-konformer Weise beschäftigen wollen oder müssen, ein großer Verständnisfehler; lieber Nichts
als etwas Falsches tun, ist der Holzweg.
Es ist der klare Menschenverstand gefordert; gepaart mit dem Wunsch nach einer bezahlbaren Lösung im Sinne der Behinderten. Damit ALLE am Leben teilhaben können.
Das ist meine Interpretation, die hinter dem Wort abstrakten Wort "Inklusion" steht.
Ralph Ziemann
Sachverständiger für barrierefreies Planen und Bauen
08 / 2010